Diskussion
Sucht oder nicht Sucht
Fragt man die Krankenkassen nach einer Therapie für Computerspielsüchtige, ist die Lage eindeutig: Es gibt keine Computerspielsucht und entsprechend keine Kostenübernahme. Therapieeinrichtungen gibt es trotzdem und auch jetzt schon Wege, einen Therapieplatz zu bekommen – auch mit entsprechender Finanzierung.
Nach den internationalen Klassifikationssystemen ICD-10 und DSM-IV ist "pathologisches Computerspielen" nicht erfasst. Somit sind die Krankenkassen nicht in der Pflicht, die Kosten für eine Computerspielsucht-Therapie zu übernehmen.
Als Reha-Maßnahmen werden entsprechende Therapien allerdings durch die deutsche Rentenversicherung ermöglicht. Der Hintergrund ist plausibel: Wenn jemand wegen exzessiven Medienkonsums nicht mehr in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, belastet diese Person die Sozialkassen. Unabhängig von einer medizinischen Definition wird therapiert, und das nicht selten mit Erfolg. Da schulpflichtige Jugendliche aber in der Regel noch nicht in die Sozialkassen eingezahlt haben, gibt es seitens der Rentenversicherung keine Zuständigkeit.

Unterscheidet sich die Computerspielsucht hier tatsächlich von einer Cannabisabhängigkeit? Rechtfertigt das einen Ausschluss aus dem ICD 10 als eigenständige Diagnosemöglichkeit? Aus Sicht von Beike nicht. Auch für andere Süchte ohne primäre körperliche Abhängigkeit spielen genau die gleichen Aspekte eine wichtige Rolle. Hier wird in der Therapie ebenfalls nach den Ursachen außerhalb der Sucht gesucht – oftmals stehen hinter einer Cannabissucht ebenfalls Depressionen oder soziale Ängste, die dann therapeutisch behandelt werden. „Suchtverhalten ist häufig ein Symptom einer seelischen Erkrankung“, so Beike. Dabei ist natürlich auch diese Selbsterkenntnis und Krankheitseinsicht ein Teil der der Therapie. Nicht selten ändern nach Beike Betroffene ihr Verhalten nach wenigen Beratungskontakten, so dass eine aufwändige stationäre Therapie nicht immer notwendig ist.
Eine gute Anlaufstelle für Eltern kann der Sozialpsychiatrische Dienst der jeweiligen Kommunen sein. Hier werden laut Stefan Pohl von der „Sozialpsychiatrischen Beratungsstelle für Kinder und Jugendliche und deren Familien“ des sozialpsychiatrischen Dienstes Hannover (SpDi) beratungssuchende Eltern oder betroffene Jugendliche selbst an entsprechende Beratungsstellen vermittelt - in Hannover bspw. an die DROBS oder das Neue Land. Sogar Hausbesuche des SpDi, so Pohl, sind möglich. Diese finden allerdings seltener auf Wunsch verzweifelter Eltern, sondern eher auf Initiative der Schulen statt, wenn Jugendliche (ggf. als Computerspieler) massiv die Schule verweigern.

Es stellt sich die Frage, ob dann eine Einstufung in den ICD 10 überhaupt nötig ist? Können über entsprechende Doppeldiagnosen nicht viel präzisere Therapiemöglichkeiten gefunden werden? „Wäre Computerspielsucht im ICD 10 aufgeführt, wäre es einfacher, den Betroffenen ein Therapieangebot zu vermitteln“, beschreibt Beike die jetzige Situation. Problematisch wäre es, wenn ein Teil von Jugendverhalten generell „pathologisiert“ werden würde. „Nur weil viele Erwachsenen Computerspiele nicht verstehen oder wertschätzen, darf nicht pauschal eine zeitweilige intensivere Spielenutzung als krankhaft erklärt werden“, betont er.
Augenmaß, Sachverstand und vor allem plausible Kriterien für eine Computerspielsucht sind nötig. Mit einer entsprechenden Einstufung wäre es vor allem einfacher, wichtige Therapien zu ermöglichen. „Langfristig ist eine Einstufung im ICD 10 wünschenswert“, so Beike. Nach Einschätzung des SpDi Hannover ist dies „auch nur noch eine Frage der Zeit.“
Hamburg: WhatsApp, Instagram und TikTok: Was geht uns Eltern das an?
14.06.2023
Weyhe: WhatsApp, Instagram und TikTok: Was geht uns Eltern das an?
14.06.2023
Jork: Mediennutzung heute: gemeinsam denken und diskutieren
mehr unter Kontakt

Hier geht es zu unserem Podcast
Handys in Kinderhänden? Aber bitte mit Stützrädern!
Die Wochenzeitung Kleeblatt berichtet ausführlich über eine.V.ranstaltung von smiley e.V. mit dem Gymnasium Sarstedt ...
Hannoversche Allgemeine Zeitung (24.03.2023)
Vortrag über Medienkompetenz zieht Massen an
Die Regionalbeilage der Hannoverschen Allgemeine Zeitung berichtet über eine Abendveranstaltung mit smiley e.V. in Gehrden ...