Podcast
Cybermobbing im Klassenchat – sind Eltern oder Lehrkräfte zuständig? - Skript
Aufgrund einer aktuellen Studie Cyberlive 5 vom Bündnis gegen Cybermobbing e.V. diskutieren Moritz Becker und Ralf Willius über Cybermobbing bspw. in Klassenchats. Dabei gehen sie der Frage nach, ob hier eher Eltern oder die Schule gefordert sind, wenn es um Intervention geht.
Moritz: Wer ist für Mobbing in einem Klassenchat zuständig: Eltern oder Schule?
Ralf: Es ist der vierte November 2024, der erste Montag im November und Zeit für eine neue Folge: "Was mit Medienerziehung?", dem Podcast von smiley e.V." Mein Name ist Ralf Willius und mir gegenüber sitzt mein Kollege Moritz Becker.
Moritz: Hallo Ralf!
Ralf: Du hast eine dampfende Tasse Kaffee vor dir. Warum habe ich keine?
Moritz: Mmmhh, Ich habe dir.
Ralf: Ah, doch. Habe ich ja doch schon. Ich nehme alles zurück.
Moritz: Wir sitzen in meiner Küche, nehmen eine neue Folge unseres Podcasts auf, und meine Aufgabe ist nicht nur, die Küche in ein Podcast-Studio umzubauen, sondern sich auch ums Catering zu kümmern.
Ralf: Und das machst du sehr gut.
Moritz: Danke, Ralf.
Ralf: Der Verein smiley e.V. hat sich zur Aufgabe gemacht, Schulklassen zu besuchen, um hier einen verantwortungsvollen Gebrauch von Social Media zu diskutieren. Ergänzend dazu arbeiten wir deutschlandweit mit Fachkräften und Eltern, wo dann Medienerziehung im Mittelpunkt steht, und in diesem Podcast, der gefördert wird von Aktion Mensch, diskutieren Ralf und ich unsere Ideen, Beobachtungen aus eben diesen Veranstaltungen.
Ralf: Moritz, hast du von der aktuellen Studie vom Bündnis gegen Cybermobbing gehört?
Moritz: Ja, gehört, ja, aber ich habe mich noch nicht weiter damit befasst.
Ralf: Ich schon. Die letzte Studie fand 2022 statt, und die Zahlen sind, das kann man sagen, mehr oder weniger vergleichbar mit der Erhebung von 2022. Allerdings gab es eine Zunahme von Cybermobbing, ich habe mir das hier notiert: 18,5 Prozent aller befragten Kinder und Jugendlichen sind betroffen von Cybermobbing. Das sind 1,8 Punkte mehr als 2022.
Moritz: Okay.
Ralf: Die Studie mahnt, dass es nach wie vor zu wenig Prävention in Schule gibt. Ganz interessant fand ich allerdings, dass mittlerweile 55 Prozent der Befragten der Aussage zustimmen: "An meiner Schule lernen wir, wie man sich bei Cybermobbing verhalten soll." Das sind 7 Prozent Punkte mehr als 2022. Also, da kann man schon von einem Erfolg, von der Prävention, das kann man schon....
Moritz: Ja, naja, also 55 Prozent ist jetzt nicht wirklich viel, finde ich, und ich meine, die Studie mahnt ja auch.
Ralf: Klar, da ist Luft nach oben.
Moritz: Die Tendenz stimmt.
Ralf: Auf jeden Fall genau. Einen anderen Punkt finde ich ganz wichtig, und zwar generell die Opfer betreffend, der Aussage, wir haben an unserer Schule ein Unterstützungsteam für Opfer von Mobbing und Cybermobbing, stimmen 28 Prozent Befragten zu. Das sind tatsächlich neun Prozentpunkte weniger als zwei Jahre zuvor.
Moritz: Das heißt, da ist es wesentlich schlechter geworden.
Ralf: Genau, das könnte man interpretieren, dass es da eine Verlagerung gab, weg von Interventionen im Falle von Cybermobbing hin zu mehr Prävention.
Moritz: Ja, aber das geht ja offensichtlich dann nicht auf. Also, wenn es insgesamt laut Studien eine Zunahme von Cybermobbing gibt.
Ralf: Okay, das stimmt auch.
Moritz: Das deckt sich so mit meinem Eindruck, dass Prävention in den Schulen da aber schon eine gewisse feste Tradition hat.
Ralf: Aber müsste das nicht die Intervention dann genauso betreffen?
Moritz: Eigentlich schon, aber bevor wir darüber nachdenken, sagt die Studie auch was über die Eltern aus.
Ralf: Ja, Eltern wurden auch befragt, das gehört zum Studienkonzept dazu. Demnach ist der Begriff Cybermobbing fast allen Eltern bekannt und wird auch als gefährliche Problemlage wahrgenommen.
Moritz: Wir haben eben über die Schule als Ort der Prävention und Hilfestellung gesprochen, welche Rolle spielen denn da die Familien?
Ralf: Soweit ich mich erinnere, mischen sich die meisten Eltern nach eigener Angabe kaum in das Online Verhalten der Kinder ein, aber insgesamt kann man sagen, dass Eltern sich da eher überfordert fühlen, würde ich sagen.
Moritz: Vor allem vermutlich auch hier, wenn es um den Umgang mit den Opfern geht. Was, wenn es eigene Kind Opfer ist?
Ralf: Klar, ich erlebe da eine sehr große Erwartungshaltung, auch von Eltern bei betroffenen Kindern gegenüber der Schule dann.
Moritz: Die aber laut Studie nicht gut aufgestellt ist in diesem Bereich.
Ralf: Ich würde sagen, Eltern und Schule sind gleichermaßen überfordert.
Moritz: Ich würde sagen, das Problem beginnt schon viel früher. Also unabhängig von der Überforderung ist, glaube ich, einfach auch nicht klar, wer ist für Mobbing in einem Klassenchat zuständig? Eltern oder Schule?
Ralf: Was meinst du damit zuständig?
Moritz: Lass uns mal einen Fall von Mobbing sein.
Ralf: Ich war schon die ganze Zeit drauf und dran, erst mal den Begriff Cybermobbing vielleicht zu erklären.
Moritz: Also, Cybermobbing kann sein, dass du Fotos aus dem Zusammenhang reißt, die irgendwie manipuliert und entsprechend verbreitest. Es können Hass-Gruppen sein, die extra eingerichtet werden im Sinne von: alle hassen Personen XY oder Fakeaccounts, oder was ich jetzt gerade gehört hatte, ist, dass ein Mädchen eine WhatsApp-Gruppe gegründet hat, dann die ganze Klicke dieser Gruppe hinzugefügt hat, um dann unmittelbar sofort danach wieder ein Mädchen aus der Gruppe rauszuschmeißen.
Ralf: Das heißt, dieses Mädchen weiß dann ganz klar, dass sie nicht in diesen Gruppenchat gehört.
Moritz: Genau, das heißt, es ging wahrscheinlich auch beim Gründen dieser Gruppe nur darum, dies eine Mädchen auszugrenzen.
Ralf: Und das kann Mobbing sein.
Moritz: Also in dem beschriebenen Fall würde ich sagen, ist das ein Teil von Mobbing. Ich würde es so interpretieren, und ich möchte jetzt auch so einen Fall skizzieren. Nehmen wir mal an, eine fünfte Klasse, bestehend aus 25 Schülerinnen und Schülern, die unterhalten ein Klassenchat.
Ralf: Bei WhatsApp?!
Moritz: Wahrscheinlich wird es eine WhatsApp-Gruppe sein. Das, was ich beschreiben möchte, würde bei Signal oder Threema genauso stattfinden, also vielleicht mit besserem Datenschutz, aber für die betroffenen Personen oder die Dynamik des Konflikts ist letztendlich egal, über welchen Messanger wir sprechen.
Ralf: Wichtig noch zu erwähnen wäre, dass in diesem Chat, vermute ich jetzt mal, keine Lehrkräfte sind.
Moritz: Nee, genau, also, in den seltensten Fällen sind die Lehrkräfte mit in den Klassenchats der Kinder. Also, es gibt so Schul-Server-Systeme, in denen auch Gruppenchats angelegt werden können, in denen dann auch die Lehrkräfte mit dabei sind. Das sind aber selten die Chats, die vor dem Hintergrund von Cybermobbing eskalieren.
Ralf: Wobei, Missverständnisse gibt es in solchen Gruppen natürlich genauso.
Moritz: Ja, aber die kannst du dann klären. Also wenn es nicht, lass mich mal bitte ganz kurz einfach ein fiktives Beispiel weiter skizzieren, bevor wir dann auch auf diesen Punkt nochmal eingehen. Wir haben diese fünfte Klasse, nennen wir sie 5a, und diese Klasse ist in einer sehr schwierigen Phase, das heißt, die ist sehr anspruchsvoll, die zu unterrichten, die sind im sozialen, irgendwie untereinander hart drauf, sag ich mal. Und da ist jetzt ein Junge, der in der Schule regelmäßig provoziert wird, ausgegrenzt wird, und irgendwie läuft das gerade so nicht wirklich gut. Aber was solle man machen? Und jetzt 16 Uhr nachmittags Klassenchat, jemand aus der Klasse provoziert diesen Jungen auf eine ziemlich geschickte Art und Weise, dass es so - zwischen den Zeilen ist es fies. Und der Junge reagiert dann sehr energisch. Vielleicht kann man sagen, er vergreift sich auch absolut im Ton, dass vielleicht auch etwas, dass es ihm sehr schwerfällt, sich dann zusammenzureißen. Und das ist jetzt für alle anderen in der Klasse wieder die Grundlage, zu sagen, guck mal hier, wie der sich wieder benimmt, und für den Jungen ist es jetzt aber erst mal: Ich werde gerade hier bei WhatsApp fertig gemacht.
Ralf: So fühlt sich das an.
Moritz: Der Administrator droht vielleicht auch. Ich schmeiß dich gleich raus, wenn du so weitermachst, und er ist völlig verzweifelt, völlig alleine, hat das Gefühl, alle hassen ihn, niemand versteht ihn. Und jetzt geht dieser Junge völlig aufgelöst zu seinen Eltern.
Ralf: Und erwartet, dass die ihm jetzt helfen.
Moritz: Genau, und die Eltern spüren aber, dass sie irgendwie gar nicht so wirklich helfen können.
Ralf: Okay, und sagen dann wahrscheinlich eher sowas wie, oh da wende dich mal lieber an deine Klassenlehrerin oder an deinen Klassenlehrer.
Moritz: Ja, wie sie es genau formulieren, weiß ich nicht, aber sie spüren das, also die Eltern spüren, das ist kein Einzelfall, sondern das passt in diese Gesamtkonfliktlage, die sich mit so einem fließenden Übergang aus Vormittag und Nachmittag.
Ralf: Ja, und vielleicht wenden sie sich vielleicht auch selbst an die Lehrkraft.
Moritz: Vielleicht auch das.
Ralf: Ich weiß, worauf du hinaus willst. Dieser Konflikt hat nicht in der Schulzeit und nicht am Schulgelände stattgefunden.
Moritz: Genau also, weder Tatzeit noch Tatort, wenn man so will, betreffen die Schule direkt, und einige Lehrerinnen und Lehrer würden den Konflikt jetzt auf jeden Fall sehr ernst nehmen und sich auch zuständig fühlen. Aber es wird auch einige geben, die hier dann die Verantwortung ganz klar bei den Eltern sehen.
Ralf: Auch das kann ich irgendwie nachvollziehen. Schließlich sind die Eltern die, die sowohl WhatsApp erlaubt haben, als auch die Technik zur Verfügung stellen.
Moritz: Ja, klarstellen und nachmittags auch Aufsichtspflicht haben, wenn man so will, aber sie haben keinen Einfluss auf die Klassengemeinschaften.
Ralf: Das stimmt aber durchaus auf das eigene Kind und Eltern können ja auch untereinander sich vernetzen und so gesehen auch auf Kinder der anderen...
Moritz: Nein, so einfach ist es nicht. Stell dir vor, dass du jetzt als betroffener Vater die Eltern von den anderen Kindern anrufst und sagt: ey, bitte, hört mal auf, meinen Sohn zu beleidigen. Also, ich meine, dann schadest du einem Kind unter Umständen. Wenn dann, da, am nächsten Tag, gilt es dann als Petze oder sonst was?
Ralf: Da hast du wahrscheinlich Recht?
Moritz: Es wird Fälle geben, keine Frage, wo Eltern sich mal einbringen können, da brauchen wir nicht unbedingt die Schule.
Ralf: Wobei jetzt auch nicht jeder Konflikt bei WhatsApp gleich Mobbing ist.
Moritz: Genau, und ich glaube, das ist der Punkt. Ich will darauf hinaus, dass Cybermobbing nicht losgelöst von Mobbing generell betrachtet werden kann, und Mobbing findet vormittags statt, und Cybermobbing geht nachmittags weiter. Also, wenn wirklich ein Kind fertig gemacht werden soll, dann macht es ja keinen Sinn, das Kind nachmittags in Ruhe zu lassen, wenn es digital möglich ist, ihm das Leben auch weiterhin zur Hölle zu machen.
Ralf: Klingt super grausam, aber ich glaube, genauso ist es.
Moritz: Cybermobbing ist grausam, und leider ist es so, dass der Begriff Cybermobbing oft so ein bisschen ablenkt, weil man dann so diesen Cyberanteil im Fokus hat und überlegt: Ah, okay, wir haben es hier mit Cybermobbing zu tun, das Internet ist ja ganz furchtbar und so weiter und so weiter. Aber es sind die gleichen Dynamiken, die gleichen Menschen, die sich auch im Klassenraum mobben, und beim Begriff Klassenraum Mobbing, also den Begriff gibt es so eigentlich auch gar nicht. Das würde ja auch ablenken. Dann würde man sagen, ja, der Klassenraum ist schuld daran, dass sie sich hier mobben, und kann natürlich sein, dass es da auch bauliche Aspekte gibt in manchen Schulen, dass es deshalb irgendwie ein krasseres Sozialverhalten gibt. Aber erst mal reden wir über Kinder, die sich in einem Raum aufhalten, und in diesem Fall ist es ein virtueller Raum. Aber die gleichen Kinder, die gleichen Dynamiken wie sonst auch.
Ralf: Und die Kinder sind letztendlich allein.
Moritz: Ja, mir geht es hier ausschließlich um die Perspektive der Kinder. Also genauso, wie ich hier nicht irgendwie erzählen möchte, dass das Internet schlecht ist oder so, will ich auch auf keinen Fall sagen, dass das Schulen irgendwie schlechten Job machen oder so, und es gibt auch unglaublich viele Klassenlehrkräfte oder Beratungsteams in Schulen, wo ich sagen würde, dass die Studie denen nicht gerecht wird, weil die da tolle Arbeit machen. Trotzdem stelle ich immer wieder, auch in den engagierten Schulen fest, dass es sehr, sehr schwierig ist, so abzugrenzen. So, wann ist das jetzt Privatsache? Das ist nachmittags außerhalb der Schulzeit zu Hause, und das ist für Schule nicht einfach.
Ralf: Mir fällt dabei ein Punkt auf, über den wir auch schon mal gesprochen haben. Generell müsste das, was du da gerade beschrieben hast, am Beispiel einer Klassengemeinschaft auch für andere Gruppen gelten, also beispielsweise Sportvereine, Jugendgruppen. Die haben ja genauso Gruppenchats wie Klassen, schätz ich mache ja viele Seminare in außerschulischen Bereich, also Jugendleiterschulung, und in sehr, sehr vielen Fällen wird mir berichtet, dass es so wirklich brutale Fälle von Cybermobbing dort nicht gibt. Das sind immer oder fast immer Klassenchats.
Moritz: Ja, und das liegt einfach daran, dass Kinder im Freizeitbereich auswählen können, mit wem man sich auseinandersetzen möchte. Also, wenn jetzt ein Kind feststellt, dass eine bestimmte Gruppe einem nicht gut tut, weil man da beleidigt wird oder nicht so akzeptiert wird wie man, wie man ist oder so, dann kannst du das vermeiden. Mit diesen Menschen einfach nichts mehr zu tun zu haben, ist einfach.
Ralf: Dann gehst du nicht mehr zum Handball, sondern probierst Tischtennis aus oder zum Rugby oder so was.
Moritz: Breakdance, was auch immer.
Moritz: Das heißt, die Kinder sind nicht freiwillig in der von dir gerade beschriebenen 5a. Sondern das hat jemand festgelegt.
Moritz: Das heißt ja, seitens der Schule wird diese Gruppe mehr oder weniger zusammengewürfelt. Also so ganz stimmt das nicht. Also es wird ja schon versucht, anhand der Informationen, die man über die Schülerinnen und Schüler aus der ehemaligen vierten Klasse hat, sich irgendwie so. Also man versucht schon, Klassen so zusammenzustellen, dass die dann vermutlich irgendwie funktionieren. Aber es ist nicht unwahrscheinlich, dass dort Menschen, die in einer Klasse zusammen unterrichtet werden müssen, aus verschiedenen Gründen einfach nicht miteinander klarkommen.
Ralf: Und meistens entwickelt sich das da irgendwelche Dynamiken, und am Ende dann funktioniert es irgendwie doch genau.
Moritz: Am Ende funktioniert es doch durch die Moderation der Klassenlehrkräfte, also die wissen ziemlich genau, wie die Sitzordnung funktionieren kann und wie nicht. Wer muss weiter vorne sitzen, wer weiter hinten? Durch Sozialtraining wird dann so ein "Wir-Gefühl" erzeugt. Trotzdem können auf diese Weise unterschiedliche Menschen im Klassenraum gemeinsam lernen.
Ralf: Und dann hast du da auch verschiedene Rollen. Du hast ja die Clowns, du hast die Chefs, die sogenannten Silberrücken. Das kennst du aus der Gruppen-Pädagogik. Was heißt das dann online?
Moritz: Ich bin sicher, dass diese Kinder diese Rollen auch am Nachmittag im Klassenchat haben, also das heißt, der Clown muss auch am Nachmittag lustig sein. Die Stillen haben auch nachmittags still zu sein, und gibt es, glaube ich, auch ein riesen durcheinander, wenn es jetzt auf einmal Leute in der Klasse gibt, die sich nachmittags mehr einbringen als vormittags, also vielleicht, weil sie sich eher trauen, ihre Meinung zu sagen, in der Sicherheit des Chats mehr oder weniger. Und jetzt müssen die von dir beschriebenen Alphas auf einmal lernen, dass dann nachmittags Leute wichtig sind, die morgens gar nicht in Erscheinung treten. Da geht's viel um Status oder darum, cool zu sein oder so. Dann werden auch mal Leute abgewehrt.
Ralf: Aber du hast ja gerade beschrieben, dass genau die gleichen Menschen vormittags genau das hinbekommen, also lernen, miteinander klarzukommen.
Moritz: Wenn man das jetzt konsequent weiterdenkt, dann müsste das theoretisch auch möglich sein, das nachmittags zu lernen.
Ralf: Und was ist da jetzt anders?
Moritz: Ich glaube, dass ein Punkt, der ganz wichtig ist, ist, dass tatsächlich manche Leute, die sich in der Schule meinetwegen eher zurückhalten, sind, nachmittags aktiver. Dann kann es aber auch sein, dass die, die in der Schule vielleicht sich, sagen wir bei Konflikten oder so für andere einsetzen oder ausgleichend wirken, vielleicht nachmittags weniger online sind und auf die Weise ihren Job so als Puffer zwischen den Polen zu wirken, eben nicht nachkommen.
Ralf: Aber auch das lässt sich lerne.
Moritz: Ja, aber ich glaube, dass der große Unterschied ist, dass bei der Gruppenfindung im Klassenraum die Lehrkraft dabei ist, die nicht nur aufpasst, sondern auch moderiert. Also sie ist ansprechbar, wenn einzelne Sachen dann wirklich schieflaufen. Dabei ist egal, ob die Klassenlehrkraft dabei ist oder nicht. Das heißt, es werden auch Störungen oder Konflikte vom Schulhof dann berücksichtigt, wenn das dann der Lehrerin oder dem Lehrer erzählt wird, und das sind dann Situationen, wo klar ist, die Lehrkraft ist irgendwie immer so mit involviert und dabei.
Ralf: Im Falle des Schulhofs ist der Tatort dann ja auch ganz klar Schule.
Moritz: Genau, aber ob wir wollen oder nicht, ich glaube, dass dieser Gruppenchat auch so etwas ist wie ein virtueller Schulhof. Allerdings ist, würde ich sagen, nur der Ort virtuell. Die Menschen sind ja die gleichen, und die Konflikte sind die gleichen. Das ist dann nicht virtuell, sondern real. Es sind die gleichen, die auch in der Schule vernetzt sind.
Ralf: Und hier scheint sich so manche Schule so ein bisschen aus der Verantwortung zu ziehen.
Moritz: Du hast es jetzt so hart formuliert, aber auch aus vielleicht nachvollziehbaren Gründen kann Schule als System und einzelne Lehrkräfte auch aus ihrer Funktion heraus dann nicht das leisten, was vielleicht eigentlich nötig wäre. Und ich glaube, dass manche Schulen da dann eher restriktiv reagieren auf so einer gewissen Ohnmacht heraus.
Ralf: Oh, das habe ich hier auch noch mal eine Liste stehen, dass wir noch mal über pro und contra von Handynutzungsverboten an Schulen sprechen sollten.
Moritz: Ja, ja, sollten wir auch, aber das hat mit unserem Thema jetzt heute eher weniger zu tun, weil wenn du in der Schule die Smartphones verbietest, eskalieren die Konflikte nachmittags ganz genauso. Also, Cybermobbing findet nicht vormittags statt, sondern in erster Linie nachmittags. Also ein Handynutzungsverbot wäre da eher.
Ralf: Ja, so hatte ich das jetzt gar nicht gemeint. Mir ging es eher um die restriktive Haltung.
Moritz: Genau das meine ich, und das erlebe ich auch.
Ralf: Mir ist gerade noch was eingefallen, was die Eltern betrifft. Du hast eben gesagt, dass Eltern ihre Kinder eigentlich ja nur trösten können und wenig Einfluss auf Konflikte nehmen.
Moritz: Ja, oder du lädst als Vater die komplette 5a in dein privates Wohnzimmer ein und machst mit denen Sozialtraining.
Ralf: Schönen Stuhlkreis machen. Sehr realistisch!?
Moritz: Nein, das sollte jetzt auch ein Witz sein.
Ralf: Was ich sagen wollte, dass Eltern neben Trösten ja auch noch was anderes sagen können, zum Beispiel, um dich zu schützen, solltest du vielleicht diesen Chat verlassen.
Moritz: Aber das ist keine Lösung.
Ralf: Na ja, dann hast du...
Moritz: Nein, wenn wir jetzt wirklich über Mobbing sprechen, dann gibt es betroffene Kinder, die alles machen würden, aber nicht den Chat verlassen. Also wenn du den Chat verlässt, dann...
Ralf: ...dann verlierst du die Kontrolle.
Moritz: Ja, das auch, aber ich glaube, viele Kinder haben Angst, dass, wenn sie nicht in diesem Chat sind, alles noch schlimmer wird. Also, das hat mit Kontrolle zu tun. Aber gleichzeitig habe ich manchmal das Gefühl, dass die betroffenen Kinder so die Hoffnung haben, dass, wenn sie, obwohl sie dort wirklich übelst behandelt werden, wenn sie in dem Chat bleiben und dort nichts verpassen können, sie vielleicht durch ihr Verhalten ihre Rolle zum positiven verändern, also wenn sie bei den richtigen Leuten auf deren Kommentare positiv reagieren.
Ralf: Wobei, das kann aber auch ganz schön nach hinten losgehen, wenn, wenn, wenn das dann als Geschleime oder so interpretiert.
Moritz: Das, das wird oft so sein, aber trotzdem steckt die Hoffnung dahinter, dass es irgendwann mal wieder besser wird, wenn ich mich aktiv in diese Chats einbringe, auch wenn ich mich dabei jedes Mal wieder zur Zielscheibe mache. Und dazu kommt die Angst, irgendwelche, vielleicht Insiderwitze in einem Gruppenchat zu verpassen, sodass ich am nächsten Tag in der Schule nicht mitlachen kann, wenn in der Schule irgendwelche Dinge besprochen werden, die im Chat schon Thema waren.
Ralf: Nur weil du beim richtigen Witz mitlachst, wirst du aus dieser Rolle des Opfers ja nicht rauskommen.
Moritz: Das wissen wir ja, Ralf, das wissen wir. Aber die betroffenen Kinder haben diese Hoffnung trotzdem, und ich kann sie verstehen. Ehrlich gesagt, und da ist dieser Ratschlag, dann, den Chat zu verlassen, keine Lösung, oder ich glaube auch, dass sie sich da gar nicht verstanden fühlen.
Ralf: Ähm, wir haben eine Rückmeldung bekommen vor ein paar Wochen zu unserem Podcast, dass für viele Probleme, die wir besprechen, eine sehr einfache Lösung wäre, wenn die Kinder einfach wesentlich weniger oder vielleicht auch wesentlich später das Internet und Social Media und Messanger erst nutzten würden.
Moritz: Ja, aber ohne Autos gäbe es auch viel weniger Verkehrstote.
Ralf: Ist die Nutzung von Social Media genauso notwendig wie die Teilnahme am Straßenverkehr?
Moritz: Also aus Sicht von manchen Schülerinnen und Schülern schon. Es ist ja so, dass es ganz viele Klassen gibt, die durch solche Chats profitieren, und nicht alle Klassen sind so grausam, wie die jetzt von uns angenommene 5a. Wichtig finde ich, dass in solchen Mobbingsituationen auch die Kinder, die aktuell nicht Opfer sind, sehr genau wissen, dass es schnell kippen kann und sie sich und sie selber angegriffen werden können.
Ralf: Das heißt, sie sind auch deshalb online, um zu kontrollieren, ob nach wie vor die üblichen Opfer angegriffen werden, und schützen sich, dass sie nicht irgendwann dran sind.
Moritz: Wahrscheinlich schon, also das habe ich noch gar nicht drüber nachgedacht. Aber ich glaube, genauso ist es, und vielleicht sind sogar die, die sich in ihrer Rolle sicher sind, also die wissen, sie werden nicht gemobbt, weniger online und die sagen sich vielleicht, dieser Klassenchat, der ist so furchtbar, dass es so nervig, wieder alle miteinander umgehen. Die sagen dann auch manchmal in Klassen, ich gehe einmal am Tag in die Gruppe, markiere alles als gelesen, aber wirklich lesen möchte ich das alles nicht.
Ralf: Irgendwie total nachvollziehbar. Ich meine, wer nichts zu befürchten hat, der muss ja auch nichts kontrollieren.
Moritz: Ja, aber genau in den kritischen Momenten fehlen dann diese vielleicht auch ausgleichenden Kinder. Also, sie sind zwar theoretisch dabei und auch Mitglied im Chat, aber sie halten sich raus.
Ralf: Das erlebe ich in Schulklassen ganz, ganz häufig, dass einzelne Schülerinnen und Schüler sagen, ich habe den Chat verlassen. Da wird mir viel zu viel gestritten und beleidigt.
Moritz: Ja, und die Kinder, die das Sagen, erwecken auch gleich den Eindruck, dass sie nicht zu den Außenseiterinnen und Außenseiter in dieser Klasse gehören.
Ralf: Nee, da sitzen dann im Stuhlkreis Schüler, die, die wünschen sich, das genauso machen zu können, aber die trauen sich das nicht, diesen Chats zu verlassen.
Moritz: Ja, und das passt zu der Studie, über die wir vor ein paar Wochen gesprochen haben, die unter dem Titel "lauter Hass, leiser Rückzug" veröffentlicht wurde.
Ralf: Da ging es darum, dass leider die die ausgleichenden, friedfertigen Menschen Social Media eher meiden als Menschen, die dort Hass verbreiten.
Moritz: Da muss ich gerade denken an ein Gespräch, das ich vor ein paar Tagen geführt habe, wo jemand Facebook genutzt hat, um im Prinzip Werbung zu machen für einen Hilfskonvoi in die Ukraine, den er organisiert hat, und da ging es wirklich um Hilfsmittel für Bedürftige. Und da sind wohl irgendwelche Leute, die dann da keine Ahnung, mit was vor einer Mission auf ihn losgegangen, haben, ihn beschimpft auf Facebook, dass er letztendlich sein Posting da auch wieder zum Eigenschutz gelöscht hat.
Ralf: Also auch hier ein Rückzug.
Moritz: Ja und überlässt mehr oder wenig auf Facebook dem hassenden Mob.
Ralf: Aber zurück zum Thema, Moritz.
Moritz: Ja, genau, aber am Ende ist es so, dass der Hass dann den Alltag in diesem Gruppenchat prägt. Die Kinder, die aufgrund ihrer Sozialkompetenz vielleicht auch ihre Rolle in der Klassengemeinschaft ausgleichen könnten, machen genau das nicht, weil sie diesen unangenehmen Ort Klassenchat meiden, und das ist nach dem, was wir vorhin überlegt haben, wieder anders als morgens in der Schule. Weil, wenn es morgens in der Schule Konflikte gibt, können sich diese Kinder nicht entziehen, also weil sie nicht einfach sagen können, ich gehe jetzt aus dem Klassenraum raus oder so, wenn die Leute sich hier so benehmen, wie sie sich benehmen, und hier übernehmen sie dann, ob sie wollen oder nicht, die Verantwortung und greifen gegebenenfalls helfend, ein und vermitteln, und im Klassenchat machen sie das nicht, sondern überlassen. Ich glaube, so ist es wirklich in manchen Fällen die Dynamik den problematischen Schülerinnen und Schülern.
Ralf: Also, am Ende überlassen sie diesen Leuten dann auch die Herrschaft über, ich sage mal, die ganze gesamte Klassengemeinschaft, also nicht nur online.
Moritz: Ja, aber letztendlich ist das auch nicht ihr Job, da aufzupassen oder so.
Ralf: Ich möchte trotzdem noch mal den Gedanken aufgreifen, hier unter Umständen restriktiver vorzugehen, also sich nicht der Illusion hinzugeben, alles mit Prävention und Intervention in den Griff zu bekommen.
Moritz: Aber, wie stellst du dir das vor?
Ralf: Dass man zum Beispiel, dass Lehrkräfte zum Beispiel ganz klar den Klassenchat verbieten.
Moritz: Ja.
Ralf: Ja, mir sind Fälle bekannt, in denen also, das höre ich in Klassen, wo nach Absprache mit den Eltern das so gesagt wurde...
Moritz: Das die Klasse dann einen Gruppenchat mehr hat?
Moritz: Ja, genau das entspricht jetzt nicht nicht meiner Grundhaltung. Aber Eltern können ihre Kinder, also die haben ja das Recht, auch Sachen zu verbieten. Das machen wir in anderen Bereichen ja auch.
Moritz: Also, ich möchte jetzt nicht so verstanden werden, dass dass man immer alles erlauben muss oder alles mit so einer wunderbaren Prävention und Intervention managen kann. Ich bin auf jeden Fall auf deiner Seite, dass es Situationen gibt, wo es für die Klassengemeinschaft absolut hilfreich wäre, wenn es keinen Klassenchat gäbe.
Ralf: Ja, klar, das entspricht jetzt vielleicht nicht unbedingt deinem oder meinem pädagogischen Geschmack, aber könnte Teil der Lösung sein.
Moritz: Pädagogischer Geschmack?! Da würde ich mich so als Gourmet bezeichnen, so befähigen statt verbieten. Das wäre so mein Leibgericht. Aber eigentlich glaube ich, mir wäre das zu riskant, dass sie dann trotzdem einen Klassenchat haben, der dann vielleicht nicht Klassenchat heißt oder wo vielleicht ausgerechnet auch die Kinder, die fertig gemacht werden, dann nicht dabei sind, noch mehr ausgegrenzt werden. Also ich befürchte, du kannst das nicht verhindern, dass die nicht doch ein Chat gründen, und wenn es den nicht gibt und man nicht drüber sprechen darf, dann ist er unter Umständen noch problematischer in seiner Wirkung.
Ralf: Das heißt, Verbote sind demnach dann keine Lösung.
Moritz: Zumindest nicht, wenn man glaubt, dass dieses Verbot wirklich dazu führt, dass die Kinder sich nicht trotzdem in irgendeiner Form digital vernetzen.
Ralf: Ich meine, sonst legen wir auch immer Wert darauf, dass Kinder zu motivieren, in Fällen von Mobbing einzugreifen. Die meisten sind nicht Täter und auch nicht Opfer, sondern die Möglichmacher also, wenn sie schweigen.
Moritz: Ja, und das gilt nicht nur fürs Internet, sondern auch für den Schulhof oder Klassenraum.
Ralf: Da ist nur nicht so so wichtig, weil da ja eine Aufsichtsperson ist.
Moritz: Und, und ich finde, das ist ein ganz entscheidender Punkt, in den Chatgruppen sind keine Erwachsenen dabei, die aufpassen oder moderieren.
Ralf: Sollten die Lehrkräfte dabei sein?
Moritz: Ich finde, ganz schwieriger Punkt, also, ich habe in einer Förderschule mit sehr lange mit einer Klassenlehrerin gesprochen, die für sich zum Ergebnis gekommen ist, dass es für die Kinder sehr hilfreich ist, wenn sie nachmittags in einer gewissen Regelmäßigkeit auch in diesem Chat anwesend sind.
Ralf: Also ganz, ganz kurz, gerade bei WhatsApp datenschutztechnisch ist das auch problematisch.
Moritz: Sie sagt, sie sagte, die Chancen bewertet sie höher als die Risiken des Datenschutzes. Ich möchte das jetzt gar nicht einordnen oder so. Ich will nur einfach diesen Gedanken oder diese Idee, weiterspinnen.
Ralf: Irgendwann haben Lehrkräfte auch mal Feierabend.
Moritz: Ja, ja, ja, ja, und das finde ich halt so spannend. Also, die Lehrerin sagte, dass sie nachmittags den Unterricht für den nächsten Tag vorbereitet, und im Rahmen dieser Vorbereitungszeit ist sie mehr oder weniger auch online ansprechbar für die Schülerinnen und Schüler, und im Falle von so einer Förderschulklasse sind das jetzt auch keine 30 Kinder, sondern eine überschaubare Gruppe, und ich gehe auch nicht davon aus, dass sie permanent in diesen Chats alles mitliest, sondern eher wie bei einer Schulhofsituation ansprechbar ist.
Ralf: Wie meinst du das mit ansprechbar, oder wie meinen sie das?
Moritz: Also, auf dem Schulhof ist es meinetwegen so, zwei prügeln sich, und eine dritte Person geht zur Aufsichtsperson und sagt Bescheid und holt so gesehen Hilfe. Und so stelle ich mir das bei dem WhatsApp Chat jetzt auch vor. Das heißt, da streiten sich, welche, eine Person nimmt Kontakt zur Klassenlehrerin auf im Einzelchat oder sonst was, und die Klassenlehrerin greift dann ein, und die sieht dann vielleicht 300 Nachrichten. Oh weja. Aber sie würde sich nicht einschalten, wenn sie nicht dazu aufgefordert wird.
Ralf: Aber das kannst du jetzt unmöglich von allen Klassenlehrkräften erwarten.
Moritz: Nein, nein, nein, darum geht mir nicht. Auf keinen Fall, mir viel die Lehrerin nur gerade wieder ein. Also, wir dürfen hier in diesem Podcast auch ein bisschen visionär sein. Also stell dir vor, Schulen hätten ausreichend Zeit, tatsächlich so wie es vielleicht nötig wäre, eine Klassengemeinschaft zu begleiten, also vormittags in Präsenz, im Ganztagsbereich in Präsenz und am Nachmittag virtuell.
Ralf: Die Umsetzung finde ich, also kann ich, das kann ich mir nicht so vorstellen.
Moritz: Ich tatsächlich auch nicht, aber ich unternehme mal einen Versuch. Stell dir vor, es gäbe so etwas wie so eine Art Online-Schulsozialarbeit, die dann nachmittags in irgendeiner Form für die Schülerinnen und Schüler ansprechen wäre, die dann in solchen Fällen moderierend eingreift oder vielleicht auch einfach nur zusichert: Danke, dass ihr mir Bescheid gesagt habe. Da werden wir morgen dann meinetwegen in einer Verfügungsstunde oder wo auch immer drüber sprechen. Also, das wäre so ein Gedanke, dass man so dieses unbetreute nachmittags, wo unter Umständen viel Porzellan zerschlagen wird, dass man da die Kinder einfach entlastet und natürlich auch die Eltern, die das als Betroffene gar nicht so in der Form, leisten könnten.
Ralf: Weil die im Prinzip das auch nicht ohne weiteres können.
Moritz: Genau die Eltern müssten die ganze 5a in ihr Wohnzimmer einladen, und Lehrkräfte müssten 24 Stunden am Tag online sein.
Ralf: Was machen wir denn jetzt also?
Moritz: Wenn ich zusammenfasse, dann ist erst mal ein Problem, dass sich zwar für Prävention, die Schule in vielen Fällen zuständig fühlt. Das wird durch die Studie, über die wir sprachen, auch deutlich.
Ralf: Mit Luft nach oben.
Moritz: Klar. Aber trotzdem ist es eine positive Tendenz in dem Bereich der Intervention, und vor allem, wenn es um die Opfer geht, ist Schule auch laut Studie wesentlich schlechter aufgestellt, und Eltern können hier nur sehr eingeschränkt wirklich positiven Einfluss auf Mobbingsituation, sowohl Offline als auch Online, nehmen. Manche, also nicht alle, aber manche Schulen fühlen sich auch eine uneingeschränkt zuständig für das, was da nachmittags passiert.
Ralf: Okay, hast du auch ein etwas, so was wie ein positives Resumee aus dieser Diskussion?
Moritz: Ja, zum einen kann man natürlich sagen, Prävention ist besser aufgestellt als vor ein paar Jahren, zumindest laut Studie und mit Luft nach oben, wie du es formuliert hast, und gleichzeitig muss man sagen, dass es eigentlich im Moment darum gehen muss, die großartigen Lehrerinnen und Lehrer, die wirklich mit unfassbar anspruchsvollen Klassen irgendwie einen Weg finden, in der Schule zu arbeiten, Wege aufzuzeigen, wie man das dann noch mit berücksichtigen kann, was zusätzlich nachmittags passiert.
Ralf: Das heißt, Klassenlehrkräfte sind verantwortlich für das, was nachmittags im Chat passiert, also für die Klärung...
Moritz: Ja genau. Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt, dass es um die Klärung geht, dass also die also weil, weil, wenn es wirklich eine Weiterführung von Mobbing ist, nachmittags, dann ist das ein Problem der Schule.
Ralf: Okay, dann bring ich jetzt einfach mal das Beispiel der 5a zu einem positiven Ende. Der Schüler, der dort beschimpft wird, wendet sich am nächsten Tag dann an die Klassenlehrerin, die zum einen tröstet und anschließend mehr oder weniger kurzfristig im Rahmen einer Mobbingintervention im besten Fall das positiv verändert.
Moritz: Und dann ist es vielleicht auch möglich, wenn die ganze Klasse nachvollziehen kann, dass man eventuell auf den Klassenchat verzichten sollte.
Ralf: Also doch?
Moritz: Nein, nicht im Sinne eines Verbots, sondern eher als Einsicht. Also, die Botschaft könnte sein. Meinetwegen ist es nachvollziehbar, das Schulklassen so einen Gruppenchat haben und dass es auch sehr positiv ist, oder dass auch die Lehrkraft sagt, ich finde toll, dass ihr so ein Klassenchat habt und dass man vielleicht sagt, im Moment ist es aber so, dass aufgrund der Problemlage in unserer Klassengemeinschaft das einfach nicht funktioniert, und am Ende, wenn wir wieder eine tolle Klassengemeinschaft sind, könnt ihr auch wieder einen tollen Klassenchat betreiben.
Ralf: Und auf diesem Weg dorthin verzichten wir erst mal auf den.
Moritz: Genau genau also, das heißt, der Klassenchat, ist die Kür, wenn die Mobbingintervention am Vormittag greift.
Ralf: Und dafür brauchen Lehrkräfte Zeit.
Ralf: Vermutlich mehr Zeit als einfach nur eine Verfügungsstunde oder so eine Klassenlehrerstunde pro Woche oder so.
Ralf: Die sie teilweise auch nicht in allen Jahrgangsstufen haben oder nur im ersten Halbjahr.
Moritz: Und ich glaube, das ist auch ein Thema, was wir nicht mit Lehrerinnen und Lehrern diskutieren müssen, sondern mit Verantwortlichen für Schulgestaltung, und ich glaube, dass der Klassenverband heute viel wichtiger ist als je zuvor, weil die Klasse 24/7 vernetzt ist, aber Schule nach wie vor mit Sozialtraining auf diese Herausforderung eingeht. Das stammt aus der Zeit, wo es das alles noch nicht gab.
Ralf: Moritz, wir müssen zum Schluss kommen. Vielleicht noch ein Satz zu den Eltern, denn das, was du jetzt gerade beschrieben hast, wenn das tatsächlich so ist, dass die Strukturen im Schulalltag eigentlich nicht dem gewachsen sind, was Kinder und Jugendliche so als Klassengemeinschaft jeden Tag erleben, was heißt das dann für Eltern?
Moritz: Ich glaube, dass Eltern über die Situation in der Schule Bescheid wissen sollten, weil ich denke, dass viele Eltern sich an Lehrkräfte wenden, mehr oder weniger auch aus Verzweiflung heraus, und dann sagen, jetzt machen sie bitte, dass das Mobbing im Internet gegen mein Kind aufhört und das ist dann. Die treten dann so so fordernd auf, dass viele Lehrerinnen und Lehrer dann auch vielleicht aus einer nachvollziehbaren Abwehrhaltung sagen, nee, Moment mal, das ist nachmittags passiert. Das geht mich nichts an. Mehr Verständnis füreinander, untereinander, zwischen Eltern und Lehrerschaft.
Ralf: Ich finde, das ist ein schönes Schlusswort.
Moritz: Ich will da nur nicht falsch verstanden werden. Also, die meisten Eltern treffen den Ton, und die meisten Lehrkräfte nehmen auch sehr ernst, wie die Kinder sowohl online als auch offline miteinander umgehen.
Ralf: Noch ein schönes Schlusswort.
Moritz: Dankeschön.
Ralf: Wir müssen uns noch auf eine Folge zum Weiterhören einigen.
Ralf: Vielleicht die Folge mit Juu,uport die Selbsthilfeplattform für Kinder und Jugendliche?
Moritz: Ja, aber zum Thema Prävention hatten wir doch auch mal so eine Folge mit Regeln für Klassenchats!
Ralf: Ach ja, ich guck mal, ich weiß, welche du meinst: Gute Regeln für den Klassenchat aus dem August 2023.
Moritz: Das wäre mein Favorit.
Ralf: Dem schließe ich mich gerne an und sage an die dieser Stelle vielen Dank fürs Zuhören. Wir freuen uns immer über Rückmeldungen an podcast@smiley-ev.de oder über Social Media. Bis zum nächsten Mal auf Wiederhören.
Moritz: Tschüs!
Moritz: Man hätte noch so viel machen können zu dem Thema.
Ralf: Ja, auf jeden Fall, das ist so komplex und so wichtig
Moritz: Also ich habe so viele Sachen, habe ich festgestellt. Man könnte einfach eine ganze Folge nur über Gruppendynamik online sprechen.
Ralf: Ja, wir haben noch so, wir haben nicht mal unter was gibt's sonst noch gemacht und so.
Moritz: Ja, Wahnsinn, wichtiges Thema! Tschau Ralf.
Ralf: Tschau.
Hier geht es zur Studie:
https://buendnis-gegen-cybermobbing.de/aktivitaeten/studien.html
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