Professionalität

Facebook (-beziehungen) in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit

Jugendliche dort abzuholen, wo sie sind, bedeutet sich an die Orte zu begeben, wo sie sich befinden. Jugendliche sind bei Facebook, somit bietet sich Facebook als Ort der Kontaktaufnahme und –pflege für die Kinder- und Jugendarbeit geradezu an. Was bedeutet aber eine Facebook-Freundschaft in Bezug auf die professionelle Rolle eines Jugendarbeiters?

ein Beitrag von Maik Rauschke (Stadt Salzgitter) und Moritz Becker (smiley e.V.)

Ein Jugendarbeiter hat für sein Jugendzentrum ein Profil bei Facebook angelegt. Nach und nach trudeln die Freundschaftsanfragen der Besucher ein und schnell ist der Jugendarbeiter mit den meisten „seiner“ Jugendlichen „befreundet“. Wie im Internet üblich gibt es auch bei Facebook keine Öffnungszeiten oder Wochenenden, also keinen Feierabend für gegenseitige Nachrichten, Postings auf Pinnwänden und die Fotos der Jugendlichen. Und zu sehen gibt es da einiges: Fotos der letzten Party im selbstverwalteten Jugendraum, den aktuellsten Beziehungsstress und -status der meisten Besucher und Besucherinnen, Infos darüber, wer was und wo mit wem so macht - alles das, was viele junge Menschen so im Internet veröffentlichen und kommunizieren.
So sieht er auch die Fotos der neuesten Tätowierung eines „befreundeten“ Besuchers. Am nächsten Nachmittag im Jugendzentrum kommt es zu folgendem Dialog:

Jugendarbeiter: „Schicke neue Tätowierung, sieht cool aus!“
Besucher: „Woher weißt Du das?"
Jugendarbeiter: „Naja, du hast es gepostet“
Besucher: „Alter, du Stalker!“ und im Gehen: „Das geht dich gar nichts an“

Was jetzt?


Freund oder Stalker?

Hat der Jugendarbeiter eine Grenze überschritten und ist dem Jugendlichen zu nahe getreten? Ist die Aussage „du Stalker“ angemessen? Ist der Jugendliche nicht selbst schuld, wenn er dieses Foto postet?

Ein großer Teil der jugendlichen Nutzer von Facebook hat die Profile mittlerweile so eingestellt, dass nur die Freunde die privaten Fotos und Meinungsäußerungen lesen können. Das ist durchaus begrüßenswert. Dabei haben einige Jugendliche mehr als 206 Freunde (Durchschnitt lt. JIM Studie 2011). Dies deckt sich mit den Erfahrungen von smiley e.V. in der Arbeit mit Schulklassen. Nicht selten sind auch Jugendeinrichtungen oder Vereine unter diesen Freunden. Hier ist oft nicht klar, wer als Person hinter diesen Profilen steckt. Somit verlieren die Benutzer schnell den Überblick, wer tatsächlich Zugriff auf das Profil hat. Die Aussage „nur Deine Freunde haben Zugriff“ suggeriert aber weiterhin einen geschützten Raum, der sie nicht selten dazu verleitet, Privates öffentlicher zu machen, als gewünscht.

Der tätowierte junge Mann in unserem Beispiel ist nicht davon ausgegangen, dass der Jugendarbeiter dieses Bild zu sehen bekommt. Darüber hinaus erwartet er von dem Jugendarbeiter ein sehr hohes Maß an Respekt gegenüber seiner Privatsphäre, was er vermutlich aus anderen Zusammenhängen im Jugendzentrum von dem Jugendarbeiter gewohnt ist. Gerade durch diese Erwartung ist das Entsetzen vielleicht nachvollziehbar, auch wenn das Problem durch seine Darstellung bei Facebook definitiv selbstverschuldet war. Nach gängigen Definitionen ist der Vorwurf „Stalker“ von einem neutralen Standpunkt aus sicher nicht angemessen. Dennoch ist festzuhalten, dass der Jugendliche sich auf für ihn unangenehme Weise ausgeforscht fühlte.

Jugendliche im Jugendzentrum bestimmen in der Regel selber, wie viel sie von ihrem privaten Leben einem Jugendarbeiter mitteilen. Ein Eindringen in die Privatsphäre aus Neugierde verbietet sich - Jugendarbeiter und Besucher eines Jugendzentrums sind keine Freunde. Entscheidend ist generell, dass ein professionelles Nähe/Distanz-Verhältnis gewahrt bleibt. Folgt man Jugendarbeitstheoretikern wie Werner Thole, ist die Rolle des Jugendarbeiters in der Kommunikation die des „Anderen unter Gleichen“ und weniger des „Gleichen und Gleichen“. Überträgt man diese Rolle auf die Strukturen von Facebook, wäre eine gleichberechtigte Freundschaftsbeziehung zwischen Jugendarbeiter und Jugendlichen nicht angemessen. Dennoch ist es wichtig, die entsprechenden Kommunikationswege zum Informationsaustausch zu nutzen – E-Mail ist in Zeiten von sozialen Netzwerken ein nicht mehr funktionierender oder geeigneter Weg, die Jugendlichen zu erreichen. Sie checken halt lieber ihre Nachrichten, als ihre E-Mails.

Ist eine Abstinenz der Jugendarbeit bei Facebook die Lösung?

Vermutlich wäre ähnliches passiert, wenn der Jugendarbeiter mit seinem richtigen Namen und nicht als Jugendzentrum angemeldet wäre. Facebook bietet die technischen Möglichkeiten, zwischen einzelnen Freunden zu differenzieren. Durch die „Einsortierung“ der eigenen Freunde in Listen, z.B. für „Schule“, „besondere Freunde“ oder wie in dem oben geschilderten Fall evtl. auch in „Freunde, die nicht alles sehen sollen“, hätte er das Bild mit nur einem Klick in der Sichtbarkeit einschränken können. Seine „echten“ Freunde hätten es gesehen, alle anderen aber nicht. Dieses Wissen fehlt vielen Jugendlichen. Oft wird auch die Notwendigkeit nicht gesehen, zumal das Einsortieren im Nachhinein Arbeit bedeutet.

Grundsätzlich bietet Facebook neben den klassischen Profilen (laut der AGB nur für reale Personen gedacht) auch die Möglichkeit sog. Fan-Seiten einzurichten. Diese Seiten können mittels eines „Gefällt mir“ - Buttons abonniert werden. Lediglich die Neuigkeiten der Seite werden dem Fan angezeigt, in die andere Richtung findet kein Informationsfluss statt.

Leider wird diese eigentlich elegante Möglichkeit in der aktuellen Datenschutzdebatte kritisch beurteilt. Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig Holstein empfiehlt z.B. die Abschaltung aller dieser Seiten von Behörden oder öffentlichen Einrichtungen. Das betrifft natürlich auch Jugendeinrichtungen. Anlass ist u.a. die ihrer Meinung nach nicht abzuschätzende Reichweite der eingestellten persönlichen Daten.
Herauszufinden, wie seine Besucher ticken, ist für einen Jugendarbeiter wichtig. Eine aktuelle und persönliche Bedürfnisorientierung setzt dies vielleicht sogar voraus. Nicht immer muss die Onlinekommunikation das ideale Medium sein, vielleicht tut es das Spiel am Kicker oder beim Billard sogar besser – auch wenn Facebook vom Schreibtisch aus und medial so einfach zu sein scheint.

Eine große Chance liegt sicher auch darin, den Jugendlichen zu verdeutlichen, was der Jugendarbeiter wissen könnte. Eventuell lohnt sich ein klärendes Gespräch mit der Bitte seitens der Einrichtung, eine Liste anzulegen, in die der „professionelle Freund“ eingeordnet werden soll. Ziel muss sein, dass wieder der Jugendliche entscheidet, was der Jugendarbeiter erfahren soll. Bei einem reflektierten und somit medienkompetenten Umgang mit Facebook ist dies möglich!

Maik Rauschke ist Eltern-Medien-Trainer und hauptamtlich bei der Stadt Salzgitter der Medienarbeit mit Kindern und Jugendlichen tätig in. Außerdem ist er aktives Mitglied im AK Medien.

Dieser Beitrag wurde am 16.12.2011 verfasst.
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